Unsere Forderungen

Eine Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung, die zumeist Mädchen und Frauen betrifft und oft aufgrund häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie Unterdrückung lebenslange Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen hat. Viele Betroffenen sind noch minderjährig und daher in besonderem Maße abhängig von den Eltern und dem „Ehemann“.

TERRE DES FEMMES hat folgende Forderungen aufgestellt, um ehrbezogene Gewalt und Zwangsverheiratungen sowie Frühehen verhindern zu können.

Präventionsarbeit in Schulen:

  • Ausbau der Präventionsarbeit in Schulen in jedem Bundesland: Sensibilisierung von pädagogischen Fachkräften, Aufzeigen von alternativen Denk- und Handlungsmöglichkeiten sowie Aufklärung über Rechte und Hilfsmöglichkeiten für SchülerInnen
  • Aufsuchende Beratung in Schulen: Viele der Betroffenen haben nicht die Möglichkeit, sich außerhalb der Schule intensiv beraten zu lassen, weil sie von der Familie überwacht werden
  • Verankerung des Themas Zwangsverheiratung und Frühehen in der LehrerInnenausbildung / Curriculum
  • Personelle Aufstockung der Schulsozialarbeit in Schulen

Schaffung einer bundesweiten zentralen Anlauf- und Meldestelle für Früh- und Zwangsverheiratung (Vorbild: Forced Marriage Unit in Großbritannien)

  • Beratung von betroffenen/gefährdeten Personen und Dritten und bei Bedarf Weitervermittlung
  • Durchführung von Schulungen für MitarbeiterInnen von Behörden, u. a. zur Umsetzung des „Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen“
  • Erfassung von Zahlen zu Zwangsverheiratung und Frühehen in den Bundesländern (regelmäßige Abfrage bei Jugendämtern, Standesämtern, Ausländerbehörden...) sowie Veröffentlichung eigener Statistiken durch Beratungsaktivität

Meldemöglichkeiten für Verdachtsfälle von drohender Auslandsverschleppung/Zwangsverheiratung im Ausland für Betroffene, aber auch für Dritte, z. B. Lehrkräfte 

Studie/Erhebung von Zahlen:

Erstellung einer bundesweiten Studie zum Ausmaß und den Formen von Zwangsverheiratung und Frühehen in Deutschland. Die letzte bundesweite Studie des BMFSFJ bezieht sich auf das Jahr 2008.

Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes:

  • Personelle Aufstockung der MitarbeiterInnen in Jugendämtern
  • Pro Bezirk/ Stadt/(Land-)Kreis eine Ansprechperson im Jugendamt, die umfassend und regelmäßig über das Phänomen Gewalt im Namen der Ehre / Frühehe/Zwangsverheiratung geschult wird und KollegInnen innerhalb der Behörde beraten kann
  • Vorleistungspflicht der Jugendhilfe: In dringenden Fällen bei gefährdeten jungen Frauen muss bei zunächst ungeklärter Zuständigkeit die vorläufige Zuständigkeit der Jugendhilfe festgelegt werden.
  • Ergänzung des § 41 Abs.1 Satz 2 SGB VIII: „Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden oder kann die Hilfe auch danach beantragt werden.“
  • Überprüfungspflicht der Ausländerbehörden der angegebenen Geburtsdaten und des Familienstatus und Meldepflicht der Fälle von Frühehen an die für das „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ zuständigen Stellen und an die Jugendämter.

Verbesserung des Opferschutzes:

  • Einrichtung weiterer spezialisierter Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen sowie Erhalt und dauerhafte Finanzierung bereits bestehender
  • Schulungen und Sensibilisierungen der Polizei, RichterInnen, StaatsanwältInnen sowie von BehördenmitarbeiterInnen, die mit potenziell von Gewalt im Namen der Ehre betroffenen Personen Kontakt haben (z.B. Jobcenter, Standesamt..)
  • Verankerung des Themas Gewalt im Namen der Ehre sowie Zwangsverheiratung/Frühehen in der Ausbildung der Polizei und regelmäßige Fortbildungsangebote zu dem Thema
  • Bei akut gefährdeten Personen: Aufnahme in eine Art „Zeugenschutzprogramm light“. Von Gewalt im Namen der Ehre betroffene Personen können sich in akuter Lebensgefahr befinden und müssen daher z.B. verbesserte und schnelle Hilfen bei der Anonymisierung von Daten, psychologische Unterstützung sowie langfristigen Polizeischutz erhalten. Wo nötig, sind die Polizeigesetze der Länder entsprechend anzupassen, um eine eindeutige Rechtsgrundlage für derartige Befugnisse und Maßnahmen im Rahmen des Opferschutzes zu ermöglichen.[1]
  • Ausführliche (muttersprachliche) Beratung von Frauen, die einen Antrag auf Bewilligung des Annäherungsschutzes nach dem Gewaltschutzgesetz stellen.

Prävention - Verschleppung ins Ausland:

  • Verbesserte Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen und Behörden in Deutschland bei einer Verschleppung ins Ausland/Zwangsverheiratung
  • Verbesserte Hilfsmöglichkeiten der deutschen Auslandsvertretungen im Fall einer Zwangsverheiratung einer Person, die die deutsche Staatsangehörigkeit oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, aber im Ausland gegen ihren Willen verheiratet bzw. festgehalten wird
  • Meldemöglichkeiten vor einer Abreise bei einer bundesweiten Stelle: Verdacht auf Verschleppung und Zwangsverheiratung im Ausland: z. B. eidesstattliche Erklärung/Online-Formular (diese Aufgabe könnte der neu zu schaffenden bundesweiten zentralen Anlauf- und Meldestelle für Früh- und Zwangsverheiratung zugeordnet werden)
  • Besonders gefährdete Personen müssen im Vorfeld ausführlich über die Risiken informiert und nach Möglichkeit eine Reise ins Ausland verhindert werden.

Verbesserung des Rückkehrrechtes:

  • Gemäß § 37 Abs.2a AufenthG besteht ein Rückkehrrecht nach Deutschland nur bei vollzogener Zwangsverheiratung, nicht bei einer reinen „Heiratsverschleppung“ – d.h. es gilt nicht, wenn die Mädchen/jungen Frauen nicht gleich verheiratet wurden. Um sowohl die vollzogene Zwangsverheiratung, als auch die „Heiratsverschleppung“ abzudecken, fordern wir eine Ergänzung des § 37 Abs. 2a AufenthG analog zu den Formulierungen in § 237 StGB:

„(2a) Von den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann abgewichen werden, wenn der Ausländer rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde,

oder eine Ehe beabsichtigt war und er dazu durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbracht wurde oder veranlasst wurde, sich dorthin zu begeben, oder deswegen davon abgehalten wurde, von dort zurückzukehren, (….)“

Strafrecht:

  • Die Schließung der Lücken im Strafrecht: Auch religiöse und soziale Zwangsverheiratungen müssen nach § 237 StGB strafbar sein. Bislang können diese durch § 240 StGB als „schwere Nötigung“ geahndet werden. Allerdings gilt dies nicht, wenn die religiöse oder soziale Zwangsverheiratung im Ausland stattfand – eine Strafverfolgung in Deutschland ist dann nicht möglich.
  • 237 StGB sollte daher wie folgt ergänzt werden:

„(2a) Ebenso wird bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur religiösen Voraustrauung nötigt oder zu allen traditionellen Handlungen, die darauf gerichtet sind, eine der Ehe vergleichbare dauerhafte Bindung zweier Personen zu begründen.“

EU-weites Mindestheiratsalter von 18 Jahren ohne Ausnahme:

  • Die BRD sollte sich dafür einsetzen, dass ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren ohne Ausnahme in der EU umgesetzt wird. Bisher kann man in fast allen europäischen Ländern bei den zuständigen Gerichten Ausnahmegenehmigungen für eine Eheschließung ab 16 Jahren beantragen.

Die ausführliche Version unserer Forderungen finden Sie hier.

(Stand 27.01.2023)

[1] Im bayerischen Polizeiaufgabengesetz ist dies beispielsweise zu finden (Vgl. Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG), Art. 91 und 92: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-91 .

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